Mecklenburg-Vorpommern ist aus gesundheitspolitischer Sicht ja eigentlich wahnsinnig spannend: Massive Überalterung gepaart mit wenig attraktiven Standortbedingungen für Ärztinnen und Ärzte und sehr lange Anfahrtwege zu immer kleineren, weit verstreuten Dörfern: Meckpomm ist stärker als andere Bundesländer davon bedroht, die öffentliche Daseinsvorsorge der gesundheitlichen Versorgung seiner Bevölkerung in Zukunft nicht mehr leisten zu können. Das Land und seine Politik reagierten darauf mit vielen innovativen Ideen und Projekten – sinnvollen wie der Wiedereinführung der Gemeindeschwester einerseits, fragwürdigen wie der alljährlich aufgewärmten „Landeskinder-Quote“ für das Medizinstudium andererseits. Die Angst insbesondere der älteren Bevölkerung vor fehlenden Pflegenden und Ärzt_innen wird immer wieder thematisiert, umso mehr muss man sich wundern, dass sie im aktuellen Wahlkampf – und auch in den Wahlprogrammen der Parteien – kaum angesprochen werden.
Trotzdem sind die Programme spannend und lassen auch Rückschlüsse auf die nordöstlichen Besonderheiten der Parteien zu: Während der AfD Gesundheit genau sechs Sätze wert ist – selbst in einem Wahlprogramm von 22 Seiten arg dürftig – legen die GRÜNEN im Nordosten ein völlig Homöopathie-freies Programm vor. Die CDU wiederum fordert mal eben eine flächendeckende Impfpflicht.
Gesundheitspolitik wird nicht die heutige Wahl entscheiden, aber die Wahl wird entscheiden, wie sicher die Gesundheitsversorgung in Mecklenburg-Vorpommern in den nächsten Jahren gewährleistet werden kann und damit auch, ob sich die alternden Bürger_innen in MV in den kommenden Jahren vom Rest der Republik noch stärker abgehängt fühlen oder nicht.

AfD: Sechs Sätze müssen reichen

Schwerpunkt: Gibt es nicht.
Pflegemangel: Wird nicht erwähnt.
Ärztemangel: Falls Arztpraxen nicht besetzt werden können, sollen „Landkreis, kassenärztliche/ kassenzahnärztliche Vereinigung oder benachbarte Krankenhäuser“ den Praxisbetrieb gewährleisten.  Die ambulanten Arztassistent_innen bzw. Gemeindeschwester-Modelle sollen unterstützt werden.
Krankenhäuser: Werden nicht erwähnt.
Hebammen: Werden nicht erwähnt.
Telemedizin:  Wird auch nicht erwähnt.
Impfen: Wird nicht erwähnt.
Specials: Medizinische Luftrettung soll auch bei schlechtem Wetter möglich sein.
Schwachpunkte: Drei Einzelforderungen sind kein Programm.

Fazit: Das ist kein Programm. Positiv könnte man eventuell anmerken, dass man sich anders als süddeutsche AfD-Landesverbände  immerhin Auslassungen zu besseren „Hygieneregimen“ gespart hat.

CDU: Eine „Impfpflicht für alle Kinder“

Pflegemangel: Die Pflege soll mehr „Wertschätzung“ erfahren, nicht etwa mehr verdienen oder bessere Arbeitsbedingungen vorfinden. Denn das würde ja Geld kosten.
Ärztemangel: Stipendien für die Medizinstudierenden, die sich für Landmedizin verpflichten.
Krankenhäuser: Alle Krankenhausstandorte sollen erhalten werden (da vertreten CDU, SPD, Grüne und LINKE ausnahmsweise mal die gleiche Forderung).
Hebammen: Wird nicht erwähnt.
Telemedizin: Wird nicht erwähnt.
Impfen: Impfpflicht für alle Kinder.
Specials: Die Impfpflicht und die relativ ausführliche Begründung derselben.
Schwachpunkte: Die Lücken im Programm, insbesondere fehlende Konzepte für die Kliniklandschaft, die Telemedizin und die geburtshilfliche Versorgung.

Fazit: Ein CDU-Wahlprogramm, dass sich nicht scheut, offen von „staatlichen Subventionen“ und einer „Impfpflicht für alle Kinder“ zu sprechen, so etwas dürfte es nur in MV geben. Das deutliche Bekenntnis zu Impfungen ist toll. Insgesamt aber erwartungsgemäß wenig konkrete Forderungen.

SPD: Gesundheitswirtschaft! Gesundheitswirtschaft! Gesundheitswirtschaft!

Pflegemangel: Abschaffung des Schulgeldes für Pflege-Ausbildungen. Bessere Arbeitsbedingungen und bessere Löhne für die Pflegenden. Finanzielle Förderung von Tages- und Kurzzeitpflege. Weiterentwicklung der lokalen Pflegeplanung. Die beratenden lokalen Pflegestützpunkte sollen weiter unterstützt werden. Die Einrichtung einer Pflegekammer soll geprüft werden.
Ärztemangel: Einrichtung eines Kompetenzzentrums Allgemeinmedizin. Stärkung der Altersmedizin. Polikliniken bzw. „lokale Gesundheitshäuser“ mit abwechselnden Sprechstunden von Fach- und Allgemeinmedizin.
Krankenhäuser: Alle Krankenhausstandorte sollen erhalten werden.
Hebammen: Die Familien-Hebammen sollen als Angebot erhalten bleiben.
Telemedizin: Soll „fest etabliert werden“, sowohl ambulant als auch stationär.
Impfen: Die hohe Impfrate in MV wird gelobt.
Special: Ein eigenes Kapitel zur Gesundheitswirtschaft, das fast genauso lang ist wie das zur Gesundheitsversorgung. Ausbau der Palliativmedizin und der Hospize.
Schwachpunkte: Keine dezidierten Aussagen zu den Krankenhausinvestitionen.

Fazit: Neben dem der LINKE das inhaltlich  ausgewogenste Gesundheitsprogramm in Mecklenburg-Vorpommern.

GRÜNE: Das erste Homöopathie-freie grüne Wahlprogramm Deutschlands!

Pflegemangel: Duale Ausbildung für die Pflege. Einführung einer Pflegekammer.
Ärztemangel: Es soll geprüft werden, ob die Zahl der Medizinstudienplätze erhöht werden kann.
Krankenhäuser: Mehr Investitionsmittel für die Kliniken aus dem Landeshaushalt.
Hebammen: Eine Landeskampagne „Natürliche Geburt“ soll etabliert werden.
Telemedizin: Soll im Rahmen eines Landesförderprogrammes ausgebaut werden.
Impfen: Wird nicht erwähnt (Überraschung!).
Specials: Sicherstellung der wohnortnahen Geburtshilfe. Einrichtung von Kinderschutz-Ambulanzen. Mehr ambulante Psychotherapeut_innen. Wie bei der SPD Ausbau von Palliativmedizin und Hospizen.
Schwachpunkte: Das Programm besteht fast nur aus Detailforderungen. Die große Linie wird nicht klar.

Fazit: Das dürfte das erste grüne Wahlprogramm sein, in dem weder Alternativmedizin noch Homöopathie zu finden sind. Wir finden es deswegen trotz seiner Schwächen, insbesondere auch dem Fehlen impfpolitischer Aussagen, atemberaubend schön.

LINKE: Gar nicht mal so schlecht.

Pflegemangel: Abschaffung des Schulgeldes für Pflegeausbildung und 2500 zusätzliche Pflege-Azubis. Besserer Personalschlüssel für stationäre Pflege.
Ärztemangel: Förderung der Gemeindeschwester bzw. -pflegenden. Stipendien für Medizinstudierende, mehr Landmedizin-Praktika im Medizinstudium. Bereitstellung von kommunalen Räumen für Arztpraxen.
Krankenhäuser: Alles Klinikstandorte sollen erhalten werden. Mindeststandards für Pflege und ärztliches Personal sollen im Krankenhausplan festgeschrieben werden. Bedarfsdeckende Investitionspauschale für alle Kliniken.
Hebammen: Das Modell der Familien-Hebammen soll ausgebaut werden.
Telemedizin: Soll ausgebaut und gefördert werden.
Impfen: Wird nicht erwähnt.
Specials: Starker Fokus auf Gesundheitsprävention sowie barrierefreie Arztpraxen.
Schwachpunkte: Viele Forderungen sind Linken-typisch sehr vage gehalten.

Fazit: Gemeinsam mit der SPD das inhaltlich ausgewogenste Programm.