Die Leistungsschere in der gesetzlichen Krankenversicherung geht auf
Im Moment zeichnet sich der Trend ab, dass neben den Beitragssätzen auch die Leistungsunterschiede zwischen den verschiedenen gesetzlichen Krankenkassen deutlich zunehmen: Der maximale Beitragsunterschied zwischen der billigsten und teuersten gesetzlichen Krankenkasse beträgt nun 860 Euro pro Jahr – vor eineinhalb Jahren waren das noch 445 Euro. In der Folge versuchen sowohl die teuersten als auch die billigsten Krankenkassen ihr Leistungsangebot zu straffen, um zusätzliche Kosten zu vermeiden. Im Gegensatz zu früheren Jahren geht es dabei nicht mehr nur um freiwillige Leistungen wie Homöopathie oder Yogakurse, sondern wir beobachten immer mehr Einzelfälle, in denen die Leistungen im Kernbereich der Gesundheitsversorgung rationiert werden:

1) Aufgrund  von Abrechnungsstreitigkeiten mit gesetzlichen Krankenkassen lehnen einzelne niedergelassen Ärzt_innen nun unter der Hand Versicherte bestimmter gesetzlicher Krankenkassen ab. Teilweise werden Versicherte auch dann abgelehnt, wenn die Praxis mit einzelnen Krankenkassen gesonderte Verträge abgeschlossen hat, die deren Versicherten z.B. Termine innerhalb einer bestimmten Wartezeit zusichert. Diese blockieren dann meist so viele Termine, dass Patient_innen anderer Kassen nicht mehr berücksichtigt werden können.

2) Einzelne Rehahäuser lehnen die Hilfsmittel-Rezepte bestimmter Versicherter ab, zum Beispiel für einen Rollator, da die jeweilige Krankenkasse nur extrem niedrige, nicht kostendeckende Beträge erstattet. Für Sachmittel, egal ob Inkontinenzwindel oder Rollator, werden teilweise nur noch die billigsten Modelle erstattet – mit erheblichen Einbußen der Lebensqualität der Versicherten. Das ist deswegen problematisch, weil anders als bei Generika-Medikamenten bei den Hilfsmitteln teilweise tatsächlich enorme Qualitätsunterschiede bestehen.

3) Krankentransportkosten, beispielsweise die Taxifahrt von der Klinik nach Hause, müssen Versicherte bestimmter Krankenkassen nun selbst finanziell vorstrecken. Das ist eine Abkehr vom Sachleistungsprinzip der gesetzlichen Krankenkassen. Für Patient_innen, die beispielsweise mehrmal pro Woche zur Dialysebehandlung fahren müssen, kommen so schnell mehrere hundert Euro pro Monat zusammen.

Wir Grüne streiten seit Jahren für eine Bürger_innenversicherung in der Krankenversicherung. Wir wollen die für beide Seiten unfaire Zweiteilung der Gesundheitsversorgung überwinden: Ein System, in dem privat Versicherte stark überhöhte Krankenkassenbeiträge bezahlen müssen um eine kaum regulierte Überversorgung in der privaten Krankenversicherung zu finanzieren. Ein System, in dem mittlere Einkommen nahe an der Beitragsbemessungsgrenze fast allein die solidarische Mitversicherung von Alten, Kindern und Geringverdiener_innen stemmen müssen und damit überdurchschnittlich belastet werden. Aber genau deswegen sollten wir den Fehlentwicklungen innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung besonders sensibel begegnen, Fehlentwicklungen, die aus der kontraproduktiven Zwei- eine noch problematischere Dreiklassenmedizin machen: Gegenrezepte für diese neuen und für den einzelnen Versicherten drastischen Fehlentwicklungen müssen wir mitdenken, wenn wir unsere neue Version für eine grüne Bürger_innenversicherung im nächsten Jahr debattieren.