Wie ein Großteil der Medien dem Deutschen Hebammenverband auf den Leim ging
In dieser Woche wurde – verspätet – die Einigung des Deutschen Hebammenverbandes (DHV) mit den Gesetzlichen Krankenkassen für die Übergangsregelungen der Hebammenvergütung bis zum Sommer 2015 präsentiert. Bereits im April diesen Jahres hatte das Bundesministerium für Gesundheit unter Gröhe gemeinsam mit den Beteiligten kommuniziert, dass bis zur endgültigen Lösung eine Übergangsregelung bis zum Sommer 2015 zwischen Hebammen und gesetzlichen Krankenkassen gefunden werden solle – über die grundlegenden Probleme in der Hebammenvergütung berichteten wir bereits. Diese Verhandlungen über die einjährige Übergangslösung ließ der DHV im Mai platzen und kündigte an, die Schiedsstelle anzurufen. Kurze Zeit später aber bemerkten die Verantwortlichen, dass ein solches Schiedsverfahren einen Großteil des einen Jahres in Anspruch genommen hätte, für das die Übergangsregelung überhaupt nur gelten sollte. Also kehrte der DHV nun, wahrscheinlich auch auf Druck seiner Mitglieder, überraschend an den Verhandlungstisch zurück. Er unterschrieb in dieser Woche das neue Angebot der Krankenkassen, die ihr finanzielles Angebot noch einmal aufgestockt hatten von insgesamt 2,0 auf 2,6 Millionen Euro Zusatzzahlungen allein für die kommenden zwölf Monate.
Über dieses Verhandlungsergebnis und die Verhandlungen schreiben Focus, dpa und viele weitere Medien nun, dass die Hebammen von den Gesetzlichen Krankenkassen “wiederum nur für ein weiteres Jahr bis 2015 abgesichert worden seien” – so, als ob die Krankenkassen eine langfristige Lösung verhindert hätten. Interessanterweise hatte die Pressemitteilung des DHV selbst die Verhandlungen in dieser Form zusammengefasst. Erfolgreiche, aber wenig ehrliche Pressearbeit zulasten der Krankenkassen. Deren Pressemitteilungen zum Thema wurde übrigens kein einziges Mal in der aktuellen Berichterstattung erwähnt.
Der DHV hatte die Verhandlungen zunächst nicht abschließen wollen, da er im Rahmen der Übergangsregelung nicht nur einen vollständigen Ausgleich der aktuellen Kostensteigerungen erzielen wollte, sondern auch eine Netto-Vergütungssteigerung. Daneben wurde auch ein vollständiger Ausgleich der gestiegenen Haftpflichtprämien für jene Hebammen gefordert, die nur sehr wenige Geburten durchführen und damit auch bei steigenden Fallpauschalen weniger profitiert hätten als Hebammen mit hohen Geburtenzahlen. Genau dieser Punkt ist aber durchaus diskussionswürdig: In der Medizin ist Qualität in der Behandlung im Regelfall mit hohen Fallzahlen assoziiert – Abteilungen mit mehr Fällen zeigen meist niedrigere Komplikationsraten als kleine Häuser ohne regelmäßige Erfahrung. Aus diesem Grund sollen beispielsweise Frühchen nur in Neugeborenen-Intensivstationen versorgt werden, die eine Mindestanzahl an kleinen PatientInnen vorweisen können. Eine Hebamme, die auf nur fünf Geburten im Monat kommt, hat weniger Routine als eine mit der dreifachen Anzahl. Ob man niedrigere Fallzahlen derart belohnen sollte, wie es der DHV fordert, müsste man eigentlich diskutieren. Zu diesen wichtigen Fragen gelangt die öffentliche Debatte aber erst gar nicht, wenn Medien selbst die grundlegenden Sachverhalte falsch darstellen und einseitig aus den Pressemitteilungen des DHV abschreiben.
PS Einige wenige Medien berichteten differenzierter, unter ihnen Spiegel, Handelsblatt, HAZ und Ärztezeitung.