taz 23.03.2023

Drei Jahre nach dem ersten Lockdown ist es verständlich, dass viele einen Schlussstrich unter alle Corona-Debatten ziehen wollen. Doch die Pandemie hat uns im Osten vor Augen geführt, wie mangelndes Vertrauen in Politik und fehlende Durchsetzbarkeit demokratischer Entscheidungen in einer Krise doppelt destruktiv werden. Sind ostdeutsche Gesellschaften in Krisenzeiten überhaupt noch ausreichend handlungsfähig?

Es überrascht niemanden, dass die Stärke rechter Parteien und das fehlende Vertrauen in Politik das Regieren in Ostdeutschland generell schwieriger machen. Aber am Ende wählen auch in allen ostdeutschen Ländern die Menschen mehrheitlich demokratische Parteien und können darauf vertrauen, dass ihr Lebensalltag nicht unmittelbar von der AfD geformt wird. Das war mit Corona anders.

Egal ob sehr viel niedrigere Impfraten oder sehr hohe Sterbezahlen: Die signifikant schlechtere Akzeptanz von Schutzmaßnahmen in einem Teil der Bevölkerung hatte Konsequenzen für die Gesamtheit aller Bürger_innen – allein schon dadurch, dass die allgemeine Lebenserwartung in Ostdeutschland sehr viel dramatischer gesunken ist als in Westdeutschland.

Damit wurde über den Haufen geworfen, was viele Menschen heute noch in Ostdeutschland hält: Dass man nämlich 30% AfD im eigenen Bundesland relativ gut ausblenden kann, wenn das eigene Alltagsleben in Potsdam oder Dresden davon nicht unmittelbar beeinflusst wird.

Hier ist neue Unsicherheit entstanden, auch darüber, wie stark sich Nichtwähler_innen für rechte Parteien mobilisieren lassen und welchen Einfluss eigentlich Ost-Ministerpräsidenten haben, die öffentlich „autoritäre Maßnahmen des Staates“ einfordern – und damit die demokratische Legitimation von Entscheidungen gleich selbst infrage stellen.

Die nächsten Krisen stehen vor der Tür und damit die Frage, ob ostdeutsche Gesellschaften stark genug sind, diesen Krisen sinnvoll zu begegnen.

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