Wo die Grünen aufkreuzen, sind aggressive Bauern nicht weit. Robert Habeck konnte in Schlüttsiel nicht von der Fähre gehen, Ricarda Lang wurde in Schorndorf und Magdeburg bedrängt, der politische Aschermittwoch der Grünen in Biberach musste wegen gewalt­samer Proteste ausfallen. Doch als sich in dieser Woche mehr als hundert grüne Parlamentarier und Minister zur Klausur in Leipzig treffen, ist weit und breit kein Traktor zu sehen.

So freundlich sei eben Leipzig, sagt Paula Piechotta, die hier ihren Bundestagswahlkreis hat. Außerdem hätten die Bauern jetzt wieder was zu tun: Boden testen, düngen, die ersten Felder bestellen. Das weiß die sächsische Abgeord­nete, weil sie aus einer Bauernfamilie kommt. Ihr Cousin führt den Hof in Ostthüringen, und der würde zwar niemals die Grünen wählen, aber man könne schon miteinander reden.

An Gesprächen hatten die radikali­sierten Bauern allerdings in letzter Zeit wenig Interesse. Immer wieder mischten sich Querdenker, Reichsbürger und Rechtsextreme unter die Proteste. Bedrohlich sei es für die Grünen gerade vor allem im Süden Deutschlands, sagt Piechotta: Baden-Württemberg, Bayern, Thüringen und Sachsen. Auch in ihrem Wahlkreisbüro landeten schon Steine.

Robert Habeck spricht zu Beginn der Klausur in Leipzig davon, „die politische Mitte“ zu halten. Das je­denfalls sieht der Bundeswirtschafts­minister als „unsere Aufgabe“. Einge­laden hat die Bundestagsfraktion deshalb auch den Soziologen Steffen Mau, der den Grünen den Weg aus der Polarisierung zurück in die Mitte weisen soll.

„Triggerpunkte“ heißt sein Buch, und die Abgeordnete Piechotta kennt diese Punkte als Fachärztin für Radiologie: schmerzhafte Verhärtungen im Gewebe. Wenn sie nach einer Sitzungswoche im Bundestag zur Arbeit im Leipziger Universitätsklinikum geht, zeigen ihr die Kollegen erst mal sämtliche Videoschnipsel, die sie triggern: Wenn Robert Habeck die Nöte von Bäckereien kleinredet oder Ricarda Lang nicht die Durchschnittsrente kennt.

Piechotta ärgert es „brutal“, wenn „wir ohne Not Flanken aufmachen“. Aber mit Grünen, die über Wirtschaft reden, sei es eben ein bisschen wie mit Frauen in Männerdomänen: „Ich muss da fünfmal besser vorbereitet sein als ein Kollege von der CDU.“ Ihre persönliche Strategie besteht darin, „gewisse Klischees“ einfach nicht zu erfüllen. Deshalb arbeitet sie weiter als Ärztin und zieht sich jeden Tag so an, „als würde ich auf den Radiologenkongress gehen“. Ihre Parteifreunde fänden das zwar schnöselig, aber die FDP-Kollegen dafür umso sympathischer.

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